Prinzessin Ilse

Prinzessin Ilse

Wo der Ilsestein thront, stand einst ein Schloss. Hier lebte die Prinzessin Ilse, die alle Menschen nicht nur durch ihre Schönheit bezauberte. Im Tal beim Schloss wohnte aber eine alte Hexe mit ihrer Tochter Trude. Eines Tages war ein Edelmann zu erschöpft, um gleich weiter zum Schloss zu reisen und um Ilses Hand anzuhalten. Er machte bei der Hexe Rast, deren Tochter sich in den jungen Mann verliebte. Die Hexe träufelte dem schlafenden Ritter ein Zaubermittel in die Augen. Als er aufwachte, sah er Trude und hielt die Hexentochter für das lieblichste Wesen, das er je gesehen hatte. Prinzessin Ilse war vergessen.

Kurz vor der Hochzeit mit Trude war der Ritter allein im Wald unterwegs. Als er an einem klaren Gebirgsbach trinken wollte, wusch er sich den Zauber aus den Augen. Erschrocken eilte er zur Prinzessin Ilse, bei beiden war es Liebe auf den ersten Blick.

Trudes Mutter war außer sich vor Zorn und sagte: „Sollst Du ihn nicht haben, soll ihn keine haben!“ Gemeinsam mit dem Höllenfürsten schickte sie ein Unwetter, das Ilsefelsen, Schloss und dessen Bewohner wegriss. Ilse wurde verwunschen und in den Berg gebannt. Manchmal aber kann man sie in dem nach ihr benannten Fluss baden sehen. Wer sich ihr dann reinen Herzens nähert, wird reich beschenkt. Wer aber Böses im Schilde führt, wird in eine alte, mit Flechten behangene Tanne verwandelt.h3>Eine Sage reizt die Dichter

Vom Ilsestein blickte Heinrich Heine auf das Flüsschen Ilse, das „wie aus tollen Gießkannen, in reinen Bögen sich ergießt und unten wieder über die kleinen Steine hintrippelt, wie ein munteres Mädchen“. Ein dramatischer Ausflug, denn fast wäre Heine abgestürzt. Und so warnt er in der „Harzreise“: „Ich rate aber jedem, der auf der Spitze des Ilsensteins steht, weder an Kaiser und Reich, noch an die schöne Ilse, sondern bloß an seine Füße zu denken.“

Das Dichten jedoch konnte er trotz der nicht schwindelfreien Tour nicht lassen, flugs schrieb er einige Zeilen über die „Die Ilse“. Und damit stand er nicht allein. Auch Ludwig Wihl machte sich Mitte des 19. Jahrhunderts daran, die Sage in Verse zu gießen.

Die Ilse

Ich bin die Prinzessin Ilse,
Und wohne im Ilsenstein;
Komm mit nach meinem Schlosse,
Wir wollen selig sein.

Dein Haupt will ich benetzen
Mit meiner klaren Well,
Du sollst deine Schmerzen vergessen,
Du sorgenkranker Gesell!

In meinen weißen Armen,
An meiner weißen Brust,
Da sollst du liegen und träumen
Von alter Märchenlust.

Ich will dich küssen und herzen,
Wie ich geherzt und geküßt
Den lieben Kaiser Heinrich,
Der nun gestorben ist.

Es bleiben tot die Toten,
Und nur der Lebendige lebt;
Und ich bin schön und blühend,
Mein lachendes Herze bebt.

Komm in mein Schloß herunter,
In mein kristallnes Schloß.
Dort tanzen Fräulein und Ritter,
Es jubelt der Knappentroß.

Es rauschen die seidenen Schleppen,
Es klirren die Eisensporn,
Die Zwerge trompeten und pauken,
Und fiedeln und blasen das Horn.

Doch dich soll mein Arm umschlingen,
Wie er Kaiser Heinrich umschlang; –
Ich hielt ihm zu die Ohren,
Wenn die Trompet erklang.

Heinrich Heine

Prinzessin Ilse

Das ist die Prinzessin Ilse
Die dort im Berge wohnt
Wo sie von Zwergen bedienet
Als reiche Königin thront.

Sie steiget jeden Frühmorgen
In des Wassers kühlen Schaum
Wer sie im Bade dann findet
Der wird zum Tannenbaum

Es stehn der Tannen gar viele
In ihres Bades Näh
Es hat sie alle verzaubert
Die keusche Wasserfee.

Ludwig Wihl